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Zusammenfassung meiner Magisterarbeit

Entwicklung unter Fremdherrschaft

Die Auswirkungen deutscher und britischer Einflussnahme in Ostafrika (Tanganyika) auf Gesellschaft und Wirtschaft der Bergvölker Usambaras und Pares

Ludwig-Maximilians-Universität München 1984, Hauptreferent: Prof. Dr. Gerhard A. Ritter

Als Ende des 19. Jahrhunderts die deutsche Kolonialherrschaft in Ostafrika begann, lebten die Bewohner Usambaras und Pares unter sehr ähnlichen Wirtschafts- und Umweltbedingungen, wenn auch in unterschiedlichen politischen Systemen. Denoch entwickelten sich beide Gebiete gerade in ökonomischer und ökologischer Hinsicht verschieden. Die Ursache dafür ist nicht darin zu sehen, dass die deutschen oder britischen Kolonialherren jeweils unterschiedliche Entwicklungskonzepte vorgesehen hätten, sondern darin, dass Usambara ständig im Brennpunkt des kolonialen Interesses stand, während Pare lange Zeit relativ wenig beachtet und beeinflusst wurde.

In beiden Regionen übernahmen die fremden Mächte die politische Oberherrschaft und forderten von der Bevölkerung Steuer- und Arbeitsleistungen. Während jedoch Pare von einer "weißen" Besiedelung weitgehend verschont blieb, wurden in Usambara bald große und fruchtbare Landflächen enteignet und während der gesamten Kolonialzeit nicht zurückgegeben. Zudem wurden die Shambaa (= Bewohner Usambaras) viel stärker als die Pare für Arbeiten im Dienste der weißen Herren in ihrer unmittelbaren Nähe herangezogen.

Auch als die Zeit der deutschen Herrschaft mit ihrer Zwangsarbeit und ihren tyrannischen Siedlern zu Ende war, änderte sich die Rolle Usambaras nicht. Nach einer kurzen Zwischenperiode während und nach dem ersten Weltkrieg, die etwas mehr Freiraum brachte, wurde die Region in den dreißiger Jahren zu einem Kerngebiet britischer "Entwicklungspolitik". Europäische Experten entdeckten nun Umweltschäden und versuchten, diese durch gesetzliche Reglementierung der Landbaumethoden der Shambaa zu beheben. Dies war jedoch deshalb ein Missgriff, weil die Problematik weniger durch die prinzipiell ökologisch angepasste Landwirtschaft der Shambaa als vielmehr durch deren geringe außerlandwirtschaftliche Verdienstmöglichkeiten verursacht wurde.

Nach dem zweiten Weltkrieg erreichten die britischen Bemühungen zur Erosionsbekämpfung ihren Höhepunkt und riefen nun breiten und entschlossenen Widerstand hervor. Diesem wurde von den Kolonialherren wenig Beachtung beigemessen, da man die Shambaa für rückständig und wirtschaftlich desinteressiert hielt. Erst nach über zehn Jahren Opposition wurde den Forderungen der Bevölkerung nach Rücknahme der Vorschriften nachgegeben.

Während fast ständig versucht wurde, das wirtschaftliche Verhalten der Shambaa durch Zwangsmaßnahmen zu beeinflussen, war in Pare eher das Gegenteil der Fall. Hier machte es die "Vernachlässigung" der Region während der deutschen Kolonialzeit möglich, dass deren Bewohner in weitaus stärkerem Umfang Eigeninitiative entwickeln konnten: Dies wurde zunächst deutlich, als die Pare in verschiedenen Häutplingstümern Missionare anforderten, um von diesen Schulunterricht zu erhalten. Der Leipziger Mission gelang es nur mit Mühe, dieser Nachfrage zu entsprechen.

Als dann die Bewohner von Nord-Pare in den zwanziger und dreißiger Jahren ohne femde Hilfe eine Straße ins Gebirge anlegten, war ihnen die Aufmerksamkeit der britischen "Schutzherren" gewiss. Sie galten nun als "progressives", "intelligentes" und "unternehmerisches" Volk. Dies bewog die Briten schließlich, in Pare versuchsweise ein neues Steuersystem einzuführen. Auch hier wurde die Ablehnung der Bevölkerung erst nach erheblichem Widerstand respektiert.

Bei einem weiteren Entwicklungsprojekt orientierte sich die britische Protektoratsverwaltung allerdings an den Wünschen der Bevölkerung und verzichtete auf Zwangsmaßnahmen. Daher zählt das sogenannte "Mason Projekt" zu den wenigen gelungenen Entwicklungsvorhaben der Kolonialzeit.

An diesen Beispielen wird die grundsätzliche Problematik der kolonialen Entwicklungspolitik deutlich: Obwohl die Europäer von ihrer Überlegenheit auf dem Gebiet der Entwicklungsplanung überzeugt waren, wussten die Betroffenen doch selbst am besten, welche Wege für sie zum Erfolg führen konnten. Die Pare hielten — unter ähnlichen ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen wie in Usambara — ganz andere Entwicklungsmaßnahmen für erforderlich als die, die den Shambaa zwangsverordnet worden waren. Sie entschieden sich für die Verbesserung der Infrastruktur und der Schulbildung, die auch Möglichkeiten zum außerlandwirtschaftlichen Gelderwerb bot.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass es den Pare offensichtlich besser gelang, sich den Veränderungen der Lebensbedingungen anzupassen als den Shambaa. Letztere waren auch nach Ende der Kolonialzeit fortgesetzten Einwirkungen von außen ausgesetzt. In Usambara fanden weiterhin ständig Programme zur Entwicklung der Landwirtschft und zur Bekämpfung der Bodenerosion statt. Letztendlich konnten dabei aber keine positiven Ergebnisse erzielt werden.






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